Landgewinnung an Küsten
 

Begriffsklärung

Mit dem Begriff Landgewinnung bezeichnet man drei verschiedene Vorgänge:

  1. Die künstliche Beschleunigung eines natürlichen Verlandungsprozesses an Küsten

  2. Die Landgewinnung durch künstliche Aufschüttung in Küstenbereichen, in denen ohne menschlichen Eingriff keine Verlandung stattfinden würde.

  3. Die Urbarmachung von bislang ungenutztem Land - meist in Küstenferne (z.B. Entwässerung von Feuchtgebieten, Bewässerung von Trockengebieten, Entsalzung salzreicher Böden, Bodenmelioration durch Tiefpflügen eines Ortsteinhorizontes, Rodung von Waldgebieten, usw.)

In dieser Arbeit geht es lediglich um die Neuschaffung von Land in Küstenbereichen, d.h. um die ersten beiden genannten Vorgänge.

Die Beschleunigung eines Verlandungsprozesses - Methode in Deutschland

Eine weit zurückreichende Tradition hat die Landgewinnung im Watt, in welchem auch auf natürlichem Wege neues Land entstehen kann. An der Nordseeküste findet man das größte zusammenhängende Watt der ganzen Erde, hier hat die Bevölkerung daher viele Erfahrungen damit gesammelt, wie dieser Vorgang beschleunigt werden kann.

An der deutschen Nordseeküste hat es sich bewährt, die Verlandung durch drei Arbeitsschritte zu beschleunigen.

  1. Es werden Buhnen und Lahnungen errichtet.
     

    Holzbuhne (Quelle: http://de.wikipedia.org)

    Stahlbeton-Buhne (Quelle: http://de.wikipedia.org)

    Lahnungen (Quelle: http://de.wikipedia.org)

    Faschinen (Quelle: http://de.wikipedia.org)


    Wie man sieht, können Buhnen und Lahnungen auf demselben Bauprinzip beruhen (doppelte Holzpflock-Reihen). Der Unterschied liegt in der Zielsetzung sowie der Anordnung.

    Buhnen sind Bauwerke, welche in rechtem Winkel zur Küste errichtet werden, um einerseits die Wucht der Brandung zu verringern (Wellenbrecher-Funktion), andererseits die küstenparallele Strömung in Strandnähe zu verringern. Als Baumaterial kommen viele verschiedene Materialien in Frage (z.B. Holzpflöcke, Betonpfeiler, Steinwälle, Stahlspundwände).

    Dagegen begrenzen Lahnungen Felder von ca. 1-2 ha Größe, d.h. sie werden in rechteckigen Mustern gesetzt. Da sie vom Wasser durchspült werden sollen, haben sich hier doppelte Holzpflock-Reihen bewährt, in deren Zwischenraum man Bündel aus Gestrüpp bzw. Reisig - die sogenannten Faschinen befestigt. In den Lahnungsfeldern wird insbesondere der Ebb-Strom verlangsamt, dadurch sedimentieren größere Anteile der Schwebfracht des Meerwassers.
     

  2. In den Lahnungsfeldern werden künstliche Wassergräben ausgehoben, die sogenannten Grüppen. Der ausgehobene Schlick wird zwischen den Grüppen auf den sogenannten Beeten abgelagert, wodurch hier das Gelände erhöht wird. Dadurch wird erreicht, dass die Flut auch bei bereits erhöhtem Gelände noch in einen Teil des Lahnungsfeldes - nämlich in die Grüppen - eindringen kann und hier Sedimentation stattfinden kann. Zugleich ist es auf diese Weise möglich, das Land auf den Beeten auf ein höheres Niveau als den mittleren Tidehochwasserstand anzuheben.
     

    Grüppen (Quelle: http://www.insel-museum.de/)

    Grüppen und Beete in Lahnungsfeldern (Quelle: http://www.agahd.de)

  1. Wurde das Gelände weit genug angehoben, so wird es eingedeicht, dadurch entsteht ein Koog. Die Naturräume innerhalb eines Koogs können sehr vielfältig sein und neben Salzwasserlagunen ausgesüßte Strandseen, Speicherbecken für den Küstenschutz, Salzwiesen, Wattflächen, Grünland und anderes umfassen.



    Beltringharder Koog nördlich der Insel Nordstrand an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins
    (Quelle: http://www.beltringharderkoog.de - Karte dort aktuell leider nicht mehr auffindbar)

 

Die Beschleunigung eines Verlandungsprozesses - Methode in den Niederlanden
 

1932 wurde in den Niederlanden die Meeresbucht Zuiderzee durch den Bau eines 31 km langen Abschlussdeiches von der Nordsee abgetrennt, der Wasserspiegel in der ehemaligen Meeresbucht wurde künstlich abgesenkt. Auf diese Weise entstand das sogenannte IJsselmeer, ein See, der heute durch seine Zuflüsse ausgesüßt ist. Der Wasserstand des IJsselmeeres wird über 25 Entwässerungsschleusen geregelt.

Gleichzeitig mit dem Bau des Abschlussdeiches hat man auch begonnen, einzelne Flächen innerhalb des 3700 km2 großen Gebietes einzupoldern - d.h. es wurde Neuland gewonnen, welches tiefer als der Meeresspiegel liegt. Nach der Eindeichung eines sogenannten Polders wurde dieser zunächst leer gepumpt. Zur Trockenlegung des eingedeichten Landes wurde Schilf eingesät (Wasserentzug durch Verdunstung), zudem wurden Drainageleitungen verlegt.

Auf diese Weise wurden der ehemaligen Meeresbucht nach und nach die Polder Wieringermeer (Fertigstellung 1930: 200 km2), Noordoostpolder (1942: 480 km2), Ostflevoland (1957: 540 km2) und Westflevoland (1968: 430 km2) abgerungen. Die restliche Wasserfläche von ca. 2000 km2 wurde 1975 durch den Bau des Houtribdijk-Deiches in zwei Teile zerlegt - das Markermeer ist entstanden.

IJsselmeer-Projekt (Quelle: http://de.wikipedia.org)

 

Landgewinnung durch künstliche Aufschüttung
 

Bucht von Tokio (Quelle: http://de.wikipedia.org)

Diese ist nur in Flachmeeren, d.h. Schelfbereichen möglich, da ansonsten zu viel Schüttmaterial benötigt würde. Bereits 1887 hat man in Hongkong (damals britische Kronkolonie) mit Maßnahmen zur Landgewinnung begonnen.

In der  brandungsgeschützten Bucht von Tokio hat man seit 1960 ca. 250 km2 Neuland gewonnen. Gefördert wurden die Bestrebungen hier durch die extreme Raumknappheit in der Umgebung der Bucht, in welcher derzeit ca. 37 Millionen Menschen leben. So begann man etwa ab 1960 mit der Landgewinnung im Küstenbereich. Im Satellitenbild erkennt man diese Flächen gut anhand der häufig rechteckigen Form und insbesondere an den sehr geraden Seitenkanten der Landgewinnungsflächen.

Da die Raumnot insbesondere in Stadtstaaten weit verbreitet ist, findet man weitere Beispiele für derartige Maßnahmen auch in Singapur und Monaco.

Singapur hat seine Staatsfläche dadurch von 581 km2 in den 60-er Jahren auf derzeit 697 km2 vergrößert. Bis 2030 soll sie sogar auf 800 km2 angehoben werden.

 

Ganz neue Größenordnungen werden durch diverse Projekte in Dubai erreicht. Scheich Mohammed bin Raschid al Maktum hat angesichts der nicht unbegrenzt vorhandenen Ölreserven beschlossen, seinem Land neue Perspektiven in den Bereichen Business und Tourismus zu erschließen.

Das Emirat besteht zum größten Teil aus Wüste, fast alle Einwohner leben in der Hauptstadt Dubai City. Aufgrund der Landesnatur liegen die begehrtesten Bauplätze an der Küste. Um die Attraktivität des Emirats für Investoren zu steigern, lag es also nahe, die Küstenlinie zu verlängern. Zu diesem Zweck wurden Inselgruppen geplant, welche vor der Küste gebaut werden sollten. Eine palmenförmige Inselgruppe ist bereits so weit fortgeschritten, dass man sie vom Weltall aus erkennen kann:

Karte der Küstenlinie von Dubai - man erkennt zwei riesige Palmen und das Projekt "The World" (in der Mitte)
(Quelle: http://en.wikipedia.org/)

Satellitenaufnahme von Dubai - Stand 2003 (Quelle: http://de.wikipedia.org/)

Alleine die bereits bestehende Inselgruppe "The Palm, Jumeirah" hat bei einem Durchmesser von ca. 10 km eine Küstenlänge von 100 km. Auf den neuen Inselgruppen soll Wohnraum für mehrere Millionen Menschen bzw. Touristen geschaffen werden. Auftrieb erhalten die Pläne des Scheichs dadurch, dass heute viele Investoren in das Land kommen, um an dem Boom des Landes teilzuhaben. Gefördert wird der Wachstumsglaube auch dadurch, dass bereits einige imposante Projekte erfolgreich durchgeführt wurden und von den Touristen angenommen werden, so z.B. eines der luxuriösesten Hotels der Welt, das Burj Al Arab mit einer Höhe von 321 m. Übernachten kann man hier in einer von 202 Suiten mit einer Fläche von jeweils 169 bis 780 m2. Ein weiteres Prestigeobjekt wird derzeit gebaut, der Burj Dubai. Dieser ist bereits heute mit 643 m (Mai 2008) das höchste Gebäude der Erde und soll nach Fertigstellung 818 m hoch sein.

Image:Burj Al Arab on 18 October 2007 Pict 1.jpg

Burj Al Arab (Quelle: http://commons.wikimedia.org/)

Image:Burj Dubai in Skyline on 8 July 2007.jpg

Burj Dubai mit Skyline von Dubai City im Juli 2007
(Quelle: http://commons.wikimedia.org/)

Damit die neuen Inseln als Baugrund gut geeignet sind und dauerhaft erhalten bleiben, wird ein großer Aufwand betrieben. So bildet ein Fundament aus großen Felsbrocken die Grundlage der Inselgruppen. Die Außenkanten des Fundaments haben eine Neigung von maximal 45° und erhöhen den Meeresgrund so weit, dass die Wasseroberfläche nur noch 5 m höher liegt. Darauf werden riesige Mengen Sand aufgeschüttet, die danach mit großem Aufwand verdichtet werden. Jede Inselgruppe ist von einem großen Wellenbrecher umgeben. Für die Wasserzirkulation sind die Wellenbrecher teilweise unterbrochen, damit sich eine günstige Flora und Fauna um die Inseln herum entwickeln kann - schließlich möchte man auch für Taucher ein attraktives Reiseziel bieten.

Die Rechnung scheint derzeit aufzugehen. Bereits 2005 haben 6 Millionen Touristen das Land besucht, für 2015 rechnet man mit 15 Millionen Touristen. Schon heute ist der Tourismus ein großer Wirtschaftsfaktor und erbringt über ein Viertel der gesamten Einnahmen des Landes.

 

Perspektiven

Durch die erfolgversprechenden Projekte in Dubai erlebt die Landgewinnung auch in anderen Regionen der Welt einen Aufschwung. Weitere Projekte gibt es derzeit z.B. in den Niederlanden (Inselgruppe in Tulpenform) und auch in Helgoland (Verbindung der Hauptinsel mit der Insel Düne) (wobei in beiden Fällen die Realisierung noch fraglich ist). Ob dies nur der Anfang eines weltweiten Inselbau-Booms ist oder angesichts der weltweiten Energieverteuerung sowie des erwarteten Meeresspiegelanstiegs nur eine vorübergehende Erscheinung, bleibt abzuwarten.

Links

allgemein:

Wikipedia-Artikel zur Landgewinnung
Encarta-Artikel zur Landgewinnung
Artikel zur Landgewinnung bei wissen.de

Landgewinnung im deutschen Wattenmeer:

Artikel in Meyers Lexikon zur Landgewinnung
Seite der Konrad Agahd-Grundschule in Berlin (Startseite der Schule: www.agahd.de)
Wikipedia: Lahnung

Wikipedia: Faschine
Wikipedia: Grüppen

Wikipedia: Koog
www.beltringharderkoog.de

Landgewinnung im niederländischen IJsselmeer:

Haus der Niederlande: Zuiderzeeprojekt
Haus der Niederlande: Schulprojekt Landgewinnung
Satgeo auf zum.de: Landgewinnung an der Nordsee (Satellitenbild)
Wikipedia: Zuiderzeewerke

Wikipedia: IJsselmeer
Wikipedia: Zuiderzee
IJsselmeer auf encyclopedia.com
IJsselmeer auf wissen.de

Exkursionsprotokoll von P. Bruskolini und S. Gierke vom Gymnasium Beverungen
Exkursionsprotokoll von T. Bräuning und C. Stapelfeldt vom Städt. Gymnasium Goch

Landgewinnung durch Aufschüttung:

Wikipedia: Tokio
Wikipedia: Bucht von Tokio

Klett: Küsten (auf Seite 8: Neulandgewinnung in der Bucht von Tokio)
Wikipedia: Hongkong

Uni Kiel: Landgewinnung in Honkong
Wikipedia: Singapur

Wikipedia: Monaco
Tulpeninsel-Projekt in den Niederlanden
Die Welt: Helgoland-Projekt
Focus: Helgoland-Projekt

Bauprojekte in Dubai:

Wikipedia: Dubai (englisch)
Wikipedia: Dubai (deutsch)
Dubai Strategic Plan (Infobroschüre der Regierung)
The World (auf www.dubai-city.de)
The World (Nakheel-Entwicklungsbüro)
The World (auf Wikipedia)
The World (Bilder auf pbase.com)
Waterfront (Nakheel-Entwicklungsbüro)
Waterfront (auf Wikipedia)
Jumeirah Islands (auf Wikipedia)
Palm Islands (auf Wikipedia)
The Palm (Nakheel-Entwicklungsbüro)
P.M. Magazin: Die Palmeninsel von Dubai - das achte Weltwunder
Geo: Dubai

Burj Al Arab (auf Wikipedia) - eines der exklusivsten Hotels der Welt
Burj Dubai (auf Wikipedia) - höchstes Gebäude der Welt